Die Sippe Küng ist im Stammbaum-Netzwerk erfasst. s'Küngle oder in Marul auch Küngle-Bua genannt, war der letzte Wilderer im Großwalsertal.
Dr. Erwin Hehle hat am 6. März 1927 im Wochenblatt "Der Vorarlberger" (Nr. 10, Jahrgang 6) folgendes über ihn berichtet.
Am 13. Februar, einem strahlend schönen Winter-Sonntag, haben sie in Marul das alte Küngle, oder wie man dort sagt, den "Küngle-Bua" begraben. Der Kranz von Bergen, der den Maruler Friedhof rings umsäumt, erglänzte im ersten Sonnenschein und leuchtete ihm ins Grab wie zum Abschied für einen Sohn der Berge, dem sie die zweite Heimat geworden, der sie ein Leben lang durchstreift und durchwildert hatte.
s'Küngle war der geborene Jäger. Vom Pfannenknecht bis zur Künzelspitze, von der Roten Wand bis zum Zitterklapfen gibt es keinen Gamswechsel, den er nicht gekannt, kein Tobel und keine Rinne, die er nicht durchschlichen, kein schmales Grasband, das er nicht durchklettert. Er kam aber auch auf den Tannberg und ins Laternsertal, ins Montafon und ins Klostertal, ja selbst bis in Prättigau! Man mußte ihn gesehen haben, wie er daher kam: mit offenem Hemdschranz, meist barfuß in den Schuhen. Wenn auch zufällig Riemen an den Schuhen waren, so fand er das Binden doch für eine ganz unnötige Arbeit. Er konnte auch ganz gut zwei verschiedene Schuhe nebeneinander tragen, etwa einen ärarischen Siebenmeilenstiefel und am andern Fuß einen Griffschuh. Obwohl eher klein als groß, war er doch zäh und unglaublich stark. Kein Gamsbock war so schwer, daß ihn s'Küngle nicht am Gewehrlauf über der Achsel heimgetragen hätte. Hunger und Durst, Hitze und Kälte schien er auf der Jagd überhaupt nicht zu fühlen, so sehr war er von der Jagdleidenschaft beherrscht.
Wenn kein Mensch mehr von den Jagdherrn redet, die sich heute in die Jagdgründe des Walsertales teilen, wird Küngles Namen noch im Munde aller sein: der Hirt wird dem Chlihirt im Schatten einer Tanne davon erzählen, in den Jagdhütten wird noch lang die Rede vom Küngle gehen; und wenn sie an den Winterabenden die Milch in die Sennerei bringen und noch zu einem gemütlichen Plausch ums Feuer sitzen, wird oftmals die Rede auf s'Küngle kommen und seine Taten, die Jungen horchen mit leuchtenden Augen und die Alten - sie haben die Geschichten schon oft gehört - hören immer wieder gerne zu, wenn einer erzählt, wie s'Küngle zum erstenmal auf die Jagd ging. Kaum 14 Jahre war er, als er zum ersten Pirschgang fortschlich. Der Spur einer Gemse folgend, sich durchs Gestrüpp zwängend, geht ihm der Schuß los, erwischt seinen Mittelfinger, den er über der Laufmündung hielt. Er merkte das gar nicht, bis er die Büchse in Anschlag bringt - da hängt ihm ein Finger nur noch an einem Häutchen, er schneidet ihn vollends weg und steckt ihn ins Libletäschle. Blut war geflossen: Küngles Blut und Gemsenblut mischten sich an jenem Tage. Küngles Schicksal war entschieden! Daheim ließ er von der blessierten Hand nichts sehen, trotz der größten Schmerzen. Einem alten Wilderer klagte er sein Leid. "Bua, du mußt zum Doktor! Da hilft alles nichts. Der Doktor muß die Knochensplitter herausziehen." Nix Doktor, sagt s'Küngle, nix Doktor, und holt a Zängle und reißt Splitter um Splitter aus dem brandigen Finger. "Aus dem kann noch etwas werden," brummt der Alte.
Einmal hatte er einen ganzen Tag die Jagdherrn begleitet, doch nie kamen sie zu Schuß. Ärgerlich sagten sie am Abend: Küng, probieren Sie noch einmal. Fangs, das war sein Sprüchwort, 'fangs, i will probiera'. Nach einer leichten Stunde hört man vom Falludriga her ziemlich rasch hintereinander drei Schüsse. s'Küngle kommt triumphierend mit einem Gamsbock der den schönsten Blattschuß zeigt. "Aber Sie haben doch dreimal geschossen?" Fangs, wenn zwei Schüsse daneben gingen! Um Mitternacht aber schlich s'Küngle mit zwei Gemsen nach Haus. Er hatte gerade genug zu tragen! Ein anderes Mal begleitete er eine Herrschaft auf der Jagd und schoß einen Hirsch, ohne daß die andern das Geringste gemerkt hätten.
Er machte freilich auch mit dem Gericht in Bludenz Bekanntschaft. Wie er das erstemal vorgeladen wurde, gestand er ihnen 70 Stück freiwillig ein. Als er wieder einmal gesessen hatte, oder wie er sagte, in der Sommerfrische war, kehrte er über Latz heim. Er holt das Gewehr aus einer Barge, wo er es versteckt hatte, und konnte am Abend seiner Familie einen Rehbock als Krömle aus der Sommerfrische mit heimbringen.
Oft äußerte er den Wunsch, er möchte noch einmal alles Wild, das er geschossen, vorbeidefilieren sehen, oder es möchte seinem Leichenzuge folgen.
s'Küngle hatte im Leben oft genug erfahren, daß hohe Herrn mit Verachtung auf den Wilderer herabsehen und scharf mit ihm ins Zeug gehen; daß sie aber trotzdem das Wildbret nicht verschmähen, ja daß es die merkwürdige Eigenschaft habe, ihre Herzen statt wild, recht zahm und mild zu stimmen. So wird sein Vorsatz verständlich: 'I muß no a Gemsle schießa vor i stirb, dem Petrus, daß i glei in den Himmel komm!
Sie gaben ihm nicht nach Jägersitte den grünen Bruch mit ins Grab. Dafür aber wird Küngles Namen frisch und grün fortleben unter den Walsern, als des letzten Wilderers des Tales!