Dr. Karl Heinrich Gruber (1944-2022)

Publikation von Dr. Karl Heinrich Gruber (1944-2022). Er war Theologe, Leiter des Kirchlichen Denkmalamtes der Diözese Bozen-Brixen, Südtiroler Kunsthistoriker, Professor für Christliche Kunst und Denkmalpflege an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen.

DIE LEGENDE
Aubet Cubet Quere - Die Wallfahrt zu den Heiligen Drei Jungfrauen von Meransen

Von den heiligen drei Jungfrauen von Meransen wird folgendermaßen berichtet:

"Der Hunnenkönig Attila, die Geißel Gottes, wütete mit Feuer und Schwert in Europa und vernichtete schonungslos alles, was nicht seinem Begehren huldigte. In großer Gefahr schwebten die genannten drei Jungfrauen. Doch ein guter Geist begünstigte ihre Flucht. Lange irrten sie im wüsten Lande herum, ertrugen frohen Mutes Hunger, Durst und alle Mühen der beschwerlichen Wege. Ihr einziges Streben war, ihre schönste Zierde, die jungfräuliche Reinigkeit, zu bewahren. Endlich sanken sie erschöpft mitten auf dem Berge, der von Mühlbach nach Meransen aufsteigt, zu Boden. Die Sommerglut brannte, die Zunge lechzte, und der Lebensfunke schien zu erlöschen. Da sprudelte plötzlich eine frische Quelle aus dem Felsen; der Kirschbaum, unter dem sie ruhten, neigte die fruchtbeladenen Äste, und kühler Schatten labte die frommen Dulderinnen. Diese Stelle, jetzt noch "Jungfrauenrast" genannt, bezeichnet eine kleine Kapelle. Viele Wunder geschahen am Orte, wo sie lebten.“

Die Heiligen Drei Jungfrauen Aubet Cubet und Quere von Meransen

In Latzfons, nahe dem alten Bischofssitz von Säben ob Klausen, geht die Volkssage, dass einst in Italien eine große Christenverfolgung war. Drei unschuldige Mädchen flohen von Aquileia in die rätischen Berge und kamen nach Klausen, eilten den Berg von Latzfons hinauf und versteckten sich in den drei Höfen Ober-, Untergfohler und Gugg. Von dort wurden sie wieder verschickt und fanden gastfreundliche Unterkunft im "Roathof", der ober dem Latzfonser Gotteshaus einsam in den Feldern steht. Nach einiger Zeit mussten sıe aber auch von dort wegen der nachkommenden Häscher fliehen und kamen endlich nach Mühlbach und Meransen.

In dieser alten Volkssage steckt als Kern geschichtlicher Wahrheit die Erinnerung, dass die Missionierung des mittleren Eisacktales von Aquileia ausging. Vielleicht war ein Bischof jener Stadt zusammen mit seinen Priestern auf Säben. In Cividale, der alten Langobardenstadt im Friaul, nicht weit von Aquileia und Grado gelegen, hat sich ein Fresko der drei Jungfrauen erhalten, wo sie allerdings als Fides-Spes-Karitas bezeichnet werden. Die Verbindung des mittleren Eisacktales mit dem alten Bischofssitz ist auch durch die Kirchenpatrone Hermagoras und Fortunatus von Albeins bei Brixen erwiesen.

In Meransen sind die heiligen Aubet, Cubet und Querre seit fast sechshundert Jahren schon nachgewiesen. Im Jahre 1382 wurde zu Ehren des hl. Jakobus und der „lieben dreien Jungfrauen Sand Ampet, und sand Warbet und sand gewerget“ eine ewige Montagsmesse gestiftet. Zudem „soll auch der Priester der die Messe haltet allzeit um die Kirche gehen und mit Weichbrunnen die Gräber besprengen.“ Dafür erhält der Kurat von Rodeneck in zwei Fristen an St. Helenas Tag und an St. Michaels Tag 32 Pfund Perner. Dies ist geschehen am nächsten Sonntag nach St. Jörgen Tag 1382.

In einem weiteren Brief heißt es, die drei Jungfrauen stammen aus dem Heer der Heiligen Ursula von Köln. In Karnol ober Brixen sind sie zusammen mit St. Ursula dargestellt, desgleichen auf einem Bildstock an der Mühlbacher Klause. In Klerant ob Brixen heißen die Drei: Ampet, Gewer und Bruen, das Fresko stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Eine Darstellung aus barocker Zeit ist an der Südseite der Kirche von St. Sigmund im Pustertal, ein vorzügliches Gemälde der drei Jungfrauen in Begleitung von Johannes dem Täufer aus dem Jahre 1870 ziert den Hochaltar von Oberwielenberg bei Bruneck, wo sinnigerweise die drei göttlichen Tugenden Fides - Glaube, Spes - Hoffnung, Caritas - Liebe in schwungvollen barocken Fresken an der Emporenbrüstung entgegengestellt sind.

In Privatbesitz hat sich je ein Ölgemälde in Toblach und Klausen erhalten, eine Votivtafel im Freisitz Plawenn im Vinschgau. Eine merkwürdige Darstellung befindet sich im Brixener Diözesanmuseum: eine der drei heiligen Jungfrauen ist an einem Baum gefesselt. Dies ist wohl eine Parallele zur Hl. Kümmernis.

In Tirol sind die Drei noch in Obsaurs vertreten. Zahlreicher sind die Spuren der drei Heiligen in Deutschland, vor allem am Rhein, wo sie in Worms, Straßburg, Köln und Luxemburg unter den Namen Embede, Warbede, Wilbede vorkommen. In einem 1723 zu Augsburg erschienenen Buch, Heiliger Ehrenkranz der gefürsteten Grafschaft Tirol, schreibt Pater Jakob Schmid, man wisse nichts von Leben, Marter und Verdienst der Drei.

Dies würde hinweisen, dass sie als Heilige nicht bezeugt sind. Um sie aus dem legendenlosen Zustand zu befreien, hat man Aubet, Cubet und Querre ins Heer der 11.000 Jungfrauen des Gefolges der heiligen Ursula eingegliedert. Immer wieder aber hat die Kirche im Laufe der Jahrhunderte, sowohl in Meransen als auch am Rhein, das Gefühl gehabt, dass hinter diesen drei Jungfrauen etwas Vorchristliches steckt.

Ein Pfarrer von Meransen hat einmal gewagt, die Anrufung der drei Jungfrauen als Abgötterei in einer Predigt abzutun. Daraufhin hat er sein Augenlicht verloren und erst nach Einsicht seines Irrtums und vollbrachter Buße samt öffentlicher Abbitte hat er wieder sehen können. Der Seelsorger hat also klar von den drei Jungfrauen als "Abgöttern" gesprochen, wobei er konsequent die Meinung seiner Kirche aussprach, die die Dreiheit durch Glaube, Hoffnung und Liebe, die göttlichen Tugenden zu ersetzen stets versucht hat.

Bereits für das 11. Jh. ist in Köln die Verehrung einer Frauendreiheit bezeugt, wie ein Siegel des Erzbischofs Pilgrim mit der Abbildung von Fides, Spes und Caritas vom Jahre 1028 beweist. Die Form der Namen ist germanisch, wie die ähnlichen Endungen kundtun, vielleicht ein Hinweis, dass die Drei Schwestern sind. Immer wieder werden sie zwar als heilig bezeichnet, obwohl sie von der Kirche offiziell nicht anerkannt sind, wenngleich die Verehrung, wie in Meransen und Obsaurs sehr im Schwunge war. Aus allen römisch besiedelten Gegenden Europas, insbesondere vom Rhein, aus Gallien und sogar England sind Bildsteine bekannt, die sogenannten 'Matronen' geweiht sind. Ohne weitschweifige Interpretationen zu versuchen, kann man sagen, dass die drei Jungfrauen Aubet, Cubet und Quere verchristlichte römisch-germanische Müttergottheiten ("matres") sind. Deshalb auch die Anrufung der Drei um Kindersegen und als Geburtshelferinnen, wie es eindeutig für Meransen und Latzfons erwiesen ist.

Die Eingliederung ins Heer der hl. Ursula ist ein Beweis für die Herkunft des Dreijungfrauenkultes aus dem Rheinland. Vom Rhein über Süddeutschland kamen die Drei nach Tirol, wo sich dann in Latzfons-Säben und Meransen Erinnerungen an die früheste Missionierung unsrer Heimat vermischt haben. Ein Zusammenhang ist eindeutig auch mit den drei Schicksalsgöttinnen Germaniens, den Nornen, oder den römischen Parzen gegeben. Schöll schreibt in seinem 1936 erschienenen Buch "Die drei Ewigen", es sei eine germanische Dreifaltigkeit, die wiederum auf Mond, Erde und Sonne hinweise. Wie dem immer auch sei: Klarheit wird man in diesen rätselhaften Kult und in die Verehrung der drei heiligen Meransner Jungfrauen nie bringen können. Es war dieses Heft nur der Versuch, Dokumente über Meransen und seine drei Patroninnen zusammenzufassen und vorzustellen, eine Materialsammlung, die Anlass sein kann, sich weiter mit dem Thema zu befassen, weil "Legenden nicht nur zur Erbauung des Volkes da sind, sondern auch in historischer, religiöser und volkskundlicher Hinsicht kostbare Zeugen früherer Kultur- und Geistesgeschichte sind."